Traditionelles Familienmodell

(Un-)Gleichheit von Arbeit und Sorgearbeit

Ungleiche Verteilung von Sorgearbeit: der Gender Care Gap

Jedes Elternteil kennt es: das morgendliche Hetzen von der Kita zum Arbeitsplatz und umgekehrt am Nachmittag, die Hektik noch vor Beginn von Schule und Arbeit, wenn noch in aller Eile Brote zu schmieren und Turnbeutel zu packen sind, den Druck, ja nicht zu spät zu kommen, als ständiger Begleiter. Doch ist dieser Druck wirklich gleichmäßig auf beide Erziehungsberechtigten verteilt?

Die Antwort ist ernüchternd, denn trotz aller Mühen um Gleichberechtigung in den letzten Jahren ist doch die traurige Realität, dass dies vor allem für einen Teil gilt: den weiblichen. Der sogenannte Gender Care Gap beschreibt den Anteil (unbezahlter) geleisteter Sorgearbeit – natürlich Kinderbetreuung, aber auch die Versorgung anderer pflegebedürftiger Menschen. Dabei stellt der Gleichstellungsbericht der Bundesregierung fest, dass diese von Frauen insgesamt um 52,4% mehr vollbracht wird als von Männern. In einem familiären Konstrukt aus Paarhaushalt und Kindern ist die Kluft sogar noch tiefer, dort steigt der Gender Care Gap auf 83,3%.

Wie kann es sein, dass diese soziale Arbeit zu solch großem Anteil von Frauen erbracht wird?

Und welche Handlungsoptionen haben Unternehmen?

 

Frau übernimmt SorgearbeitDer Mann als finanzielles Zentrum

Erklärbar wird dies mit einem Blick in die Vergangenheit: Seit jeher lag die Versorgung von Kindern und Alten im Aufgabenbereich der Frauen. Die BRD tradierte ab den 1960ern das Familienernährer-Modell, in welchem die Arbeit der Frauen nicht einmal vorgesehen war bzw. als notwendig erachtet wurde. Aus dieser Rollenverteilung resultierte die absolute finanzielle Abhängigkeit der Frauen von Männern, welche hingegen die soziale Arbeit den Frauen übertrugen.

Dass sich diese Konnotation nach wie vor nicht gelöst hat, zeigt sich noch heute allein in der Berufswahl: Während Frauen in der Regel eher zu sozialen Berufen neigen, werden Bereiche wie Finanzwirtschaft und Informatik eher von Männern dominiert. Der Anteil der männlichen Erzieher liegt bei lediglich schmalen 16,1% (Statista).

Da die sozialen Berufe jedoch für gewöhnlich schlechter bezahlt werden, ist die Mehrheit der Männer nach wie vor der finanzielle Hauptversorger in einer Partnerschaft.

Die Gründe für die stereotype Berufswahl von Männern und Frauen sind dabei vielfältig. Als Arbeitgeber konzentrieren wir uns auf die Einflussmöglichkeiten von Unternehmen.

 

Gender Pay Gap als Verstärker des Ungleichgewichts 

Der Gender Pay Gap ist ein weiterer Grund, weswegen arbeitende Frauen mit Kindern häufiger zurücktreten als Väter. Das Ungleichgewicht in der Bezahlung ist nach wie vor Teil der Arbeitswelt: Laut Studien der Böckler-Stiftung lag in Deutschland der bereinigte Gender Pay Gap 2022 bei 7%. Faktoren wie die geringere Bezahlung durch die Berufswahl und die gearbeiteten Wochenstunden sind hier somit schon herausgerechnet. Die 7% beschreiben damit eine finanzielle Dysbalance, die ausschließlich auf das Geschlecht zurückzuführen ist und somit auf einzigartige Weise die Realität der gesellschaftlichen Benachteiligung der Frauen zur Schau stellt.

Da verwundert es nicht, dass es vorrangig der weibliche Teil ist, der den Arbeitsplatz tauscht gegen die Kinderbetreuung. Die Konsequenz dessen sind Einbußen in der Karriere. Chancen können nicht ergriffen, Möglichkeiten müssen ausgeschlagen werden – und obendrauf wartet eine Rente, die meist nur die Hälfte der eines Mannes beträgt. Gleichberechtigung sieht anders aus!

 

Gender EQUALITY – eine reine Frauensache?

Spricht man über „Gender Equality“ – der inzwischen eingebürgerte Terminus für die Diskussion rund um die Gleichstellung der Geschlechter – liegt der Fokus meist auf den Ungerechtigkeiten, denen die Frauen am Arbeitsplatz ausgesetzt sind. Gender Equality betrifft aber wortwörtlich alle Geschlechter. Das Ziel ist die Freiheit von Kategorisierung: das Recht der Frauen trotz Mutterschaft Vollzeit arbeiten zu gehen, aber ebenso der Männer, ihre Zeiten zu reduzieren. Damit einher geht auch die Neuinterpretation der Arbeitskultur aus männlicher Perspektive – beispielsweise den legitimen Wunsch nach mehr Zeit mit Familie oder Freunden. Sich sein Arbeitsverhältnis auf sich selbst so zuzuschneiden, wie man/ frau es möchte und benötigt, ist die Intention einer gelebten Gender Equality am Arbeitsplatz.

 

Einflussmöglichkeiten von Unternehmen

Allein die öffentliche Thematisierung der Problematik von Gender Equality am Arbeitsplatz führt jedoch nicht zur signifikanten Verbesserung der Situation. Es scheint doch unbegreiflich, dass selbst im Jahr 2023 zwar 94% der Männer mit Kind, jedoch nur knapp ein Drittel der Mütter Vollzeit arbeiten (Hans Böckler Stiftung, 2022).

Die gute Nachricht: Es liegt auch in der Hand der Unternehmen, sich der Problematik anzunehmen und neue Wege für alle Mitarbeitenden zu schaffen und damit eine gerechtere Verteilung von Erziehung und Berufstätigkeit zu unterstützen.

Wir von SOLUTE verfolgen eine neue Interpretation der Arbeitskultur: Zum einen haben wir feste Vergütungsstufen für alle Mitarbeitenden festgelegt. Diese allein führen jedoch nicht automatisch zu einer besseren Bezahlung, wenn die Arbeitsbedingungen für Sorgearbeitleistende ungeeignet sind. Deshalb wird die transparente Gehaltsstruktur um flexible Arbeitszeiten mit kurzer Kernarbeitszeit sowie ortsunabhängigem Arbeiten ergänzt. Durch eine offene Unternehmenskultur und gemeinsame Entscheidungen zur Unternehmensentwicklung können sich darüber hinaus alle Mitarbeitenden aktiv einbringen.

Diese Bemühungen tragen Früchte: Innerhalb des SOLUTE-Teams findet sich eine breite Diversität an Lebensmodellen – Kinder, ein begleitendes Studium oder Ausbildung – die jeweils entsprechende Bedürfnisse an das Arbeitsverhältnis hervorbringen.

Wie dank der gelebten modernen Unternehmenswerte die SOLUTEianerin Carolin Mühlbach ihr Leben mit Arbeit und zwei kleinen Kindern in Einklang bringt, beschreibt sie selbst in einem Beitrag.

 

Leonie Kißner | Junior Backoffice Managerin
Bilder: Aul Zitzke via Adobe Stock

 

Zurück | Zum nächsten Artikel