Leistungsfähigkeit steigern mit Bewegung

Der sitzende Lebensstil von heute und dessen Gefahren

„Sitzen ist das neue Rauchen“ heißt es. Die meisten Menschen, vor allem in der westlichen Welt, sitzen berufsbedingt viele Stunden am Tag. Zusätzlich fahren wir mit dem Auto zur Arbeit, nehmen den Aufzug anstelle der Treppe und auch nach der Arbeit üben wir sitzende Tätigkeiten aus: ob vor dem Laptop, dem Smartphone oder Smart-TV.

Wir Deutschen sitzen im Mittel siebeneinhalb Stunden am Tag, junge Erwachsene sogar neun Stunden. Dabei weiß man mittlerweile, dass die negativen Effekte auf die Gesundheit bei einer Sitzdauer von mehr als 8 Stunden am Tag nur noch schwer durch einen erhöhten Bewegungsumfang ausgeglichen werden können [1].

Was sich für die meisten von uns bequem anfühlt und wie eine ganz natürliche Körperhaltung verstanden wird, ist, biologisch gesehen, für unseren Körper ziemlich unbekannt. Über Jahrtausende hinweg war es nicht gängig, sich über mehrere Stunden in einer sitzenden Position zu befinden, in der das Hüft- und Kniegelenk jeweils im 90 Grad Winkel gebeugt sind. Unsere Vorfahren hockten am Boden, vielleicht auf niedrigen Holzstämmen und Steinen. Vor allem aber saßen sie nicht lange, sondern waren in abwechslungsreicher Bewegung.

Der sogenannte „Sitzende Lebensstil“ ist zum gesellschaftlichen Gesundheitsproblem geworden. Es erhöht nicht nur das Risiko für ungewollte körperliche Auswirkungen, wie Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern mindert auch unsere Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit. Bewegung ist also neben Ernährung und ausreichend gutem Schlaf, ein mächtiges Tool zum Erhalt guter Gesundheit und optimaler Leistungsfähigkeit.

 

Der positive Effekt von regelmäßiger Bewegung auf die Gesundheit

Regelmäßige Bewegung trägt sowohl zum Erhalt als auch zur Verbesserung des Gesundheitszustandes bei und ist für die menschliche Entwicklung über den gesamten Lebenszeitraums des Menschen wichtig. Körperlicher Aktivität hat positive Auswirkung auf die Gesundheit in den Bereichen Gesamtsterblichkeit, Krebserkrankungen, Herz-Kreislaufgesundheit, muskuloskelettale Gesundheit, Stoffwechselgesundheit sowie die neurokognitive Gesundheit.

Körperliche Aktivität umfasst jede Form von Bewegung, bei der durch die Kontraktion der Skelettmuskulatur eine Erhöhung des Energieverbrauchs erzielt wird. Sie wird über die Belastungskomponenten Häufigkeit, Dauer, Intensität und Wochenumfang quantifiziert und gesteuert. Als gesundheitswirksame körperliche Aktivität werden all jene Bewegungsformen bezeichnet, welche die Gesundheit verbessern und bei denen das Verletzungsrisiko gering ist.

Durch regelmäßige ausdauerorientierte und muskelkräftigende Bewegung werden weitreichende Gesundheitseffekte erzielt. Doch nicht nur Sport hat positive Effekte auf die Gesundheit, es reicht schlichtweg, nicht zu sitzen.

 

Positive Auswirkung auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit

Bewegung und Sport, auch kurze anstrengende Einheiten und ein Umfang von weniger als 2,5 Stunden Bewegung mit mittlerer Intensität pro Woche, zeigen bereits gesundheitsfördernde Effekte auf den systolischen und diastolischen Blutdruck. Je mehr ausdauerorientierte Bewegung im beruflichen Alltag und vor allem in der Freizeit, z. B. mehr als 2,5 Stunden schnelles Gehen, Laufen und/oder Radfahren pro Woche, gemacht wird, desto besser ist die Herz-Kreislaufgesundheit, unabhängig von Alter, Geschlecht, Gewichtsstatus oder ethnischer Zugehörigkeit [2].

Insbesondere Kraftsport kann für Büromitarbeitende attraktiv sein. Während zu intensiver Ausdauersport – genauso wie Stress – zu einer Cortisolausschüttung führt, wirkt Krafttraining durch die Ausschüttung von Myokinen bei Muskelkontraktion antientzündlich.

 

Positive Auswirkung auf die Stoffwechselgesundheit

Das Auftreten von metabolischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 oder Übergewicht und krankhaftem Übergewicht, also Adipositas kann durch körperliche Aktivität deutlich gesenkt werden. Mit ansteigendem Alter nimmt die Häufigkeit für Diabetes mellitus Typ 2 (insbesondere ab 60 Jahren) und für Übergewicht (ab 45 Jahren) deutlich zu [3].
Mit einem wöchentlichen Bewegungsumfang von 150 bis 300 Min. mit mittlerer Intensität kann das Risiko, einen Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln, um circa 25–35 % reduziert werden [2].
Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 können bereits mit einer Stunde Bewegung in der Woche ihr Risiko, frühzeitig an einer Herz-Kreislauferkrankung zu sterben, um 35% senken [4].

Das wirkt sich positiv auf die Denkleistung aus, denn nur wer metabolisch flexibel ist, kann sowohl unter Nahrungszufuhr als auch Nahrungsabwesenheit klar denken. Die Wahrscheinlichkeit ein Mittagstief oder Brainfog zu erleben ist deutlich geringer.

 

Positive Auswirkung auf die kognitiven Fähigkeiten und das Gehirn

Studien, die einen positiven Effekt von Bewegung auf die kognitiven Fähigkeiten und die Hirnentwicklung nachweisen, gibt es schon länger. In neueren Studien wird darauf hingewiesen, dass bereits kurzdauernde Bewegung mit mittlerer bis höherer Intensität, vom Kindesalter bis ins hohe Erwachsenenalter, die kognitive Leistungsfähigkeit fördert. Durch regelmäßige Bewegung werden die Fähigkeit, Faktenwissen wiederzugeben, exekutive Funktionen (Handlungsroutinen kontrollieren können, Arbeitsgedächtnis, Kategorien bilden können, kognitive Flexibilität) und die Schlafqualität (Konsolidierung des Gedächtnisses) verbessert. Personen mit hohem Bewegungsumfang in der Freizeit, wie z. B. regelmäßigem schnellem Gehen, weisen ein geringeres Risiko für eine kognitive Beeinträchtigung und eine höhere Lebensqualität im Alter auf [2].

Untersuchungen in einem Kernspintomografen (MRT) von Sportlern und Nichtsportlern ergaben, dass die aktiven Personen mehr Hirnsubstanz besitzen. Andere Untersuchungen zeigten, dass trainierte Menschen auch in Tests zur geistigen Leistungsfähigkeit besser abschnitten. Der Effekt stellt sich vermutlich auch deshalb ein, weil das Gehirn durch Sport langfristig besser mit Sauerstoff versorgt wird. Über einen längeren Zeitraum begünstigt Sport die Bildung von neuen Synapsen und festigt gleichzeitig bereits bestehende Hirnverbindungen [5].

Schon wenige Bewegungseinheiten haben einen positiven Effekt auf das Gehirn. Bereits 10 Minuten einfaches Spazierengehen reichen aus, um die Neuronen besser zu vernetzen und die Gedächtnisleistung zu erhöhen. Tatsächlich lässt körperliche Bewegung neue Gehirnzellen im Hippocampus und frontalen Kortex sprießen und verbessert so die Lern- und Merkfähigkeit [6] [7] [8].

 

Was können wir in unserem Alltag tun?

Zusammenfassend wird der große Gesundheitsnutzen durch körperliche Bewegung in zahlreichen Studien bewiesen. Schon einfache Veränderungen wie das Nutzen des Fahrrads für den Arbeitsweg statt des Autos, das Benutzen der Treppe statt des Aufzugs und abwechselndes Stehen statt Sitzen durch die Bereitstellung von Steh-Arbeitsplätzen bringen mehr körperliche Bewegung in den beruflichen und privaten Alltag.

Auch bei vornehmlich sitzenden beruflichen Tätigkeiten lässt sich mit einfachen Tricks eine andauernde Sitzhaltung von mehreren Stunden am Stück vermeiden. Es reichen bereits kurze Dehnungs- und Streckungsübungen sowie einem Spaziergang zur Mittagspause.

Dabei kann die Mittagspause auch gleich als Teamevent gestaltet werden und man trifft sich zum gemeinsamen Spaziergehen. Oder es wird eine Team-Challenge ausgerufen, in der täglich vom gesamten Team eine bestimmte Schrittzahl gesammelt wird. Auch gesellige Teamevents, zu denen sich sonst im Restaurant getroffen wird, können zur Abwechslung in eine gemeinsame Wanderung oder Radtour umgewandelt werden.

In mehreren Studien werden Bewegungseinheiten mit mittlerer Intensität von in Summe mindestens 150 Min. pro Woche empfohlen, um eine Reduktion des Risikos, an einer Vielzahl chronischer Beeinträchtigungen zu erkranken, zu erreichen und insgesamt die Gesundheit zu verbessern. Wichtiger als eine bestimmte Sportart ist das lebenslange Dranbleiben. Deshalb wählen Sie dafür am besten Tätigkeiten, die Spaß machen, denn dann werden Sie die Lust auf Bewegung nicht verlieren.

 

Quellen

[1] – Ekelund U et al. Does physical activity attenuate, or even eliminate, the detrimental association of sitting time with mortality? A harmonised meta-analysis of data from more than 1 million men and women. The Lancet 2016; 388: 1302–1310
[2] – U.S. Department of Health and Human Services. Physical Activity Guidelines Advisory Committee Scientific Report. Washington, DC: US Department of Health and Human Services; 2018
[3]. – Statistik Austria. Österreichische Gesundheitsbefragung 2014: Hauptergebnisse des Austrian Health Interview Survey (ATHIS) und methodische Dokumentation. Wien: Bundesministerium für Gesundheit; 2015
[4] – Piercy KL, Troiano RP. Physical Activity Guidelines for Americans From the US Department of Health and Human Services; 2018
[5].https://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/kognitive-leistungsfaehigkeit-bewegung-hilft-dem-kopf-a-1100063.html
[6].Suwabe K, Byun K, Hyodo K, et al.: Rapid stimulation of human dentate gyrus function with acute mild exercise. Proc Natl Acad Sci U S A 2018; 115: 10487–92 CrossRef MEDLINE PubMed Central
[7].Mandolesi L, Polverino A, Montuori S, et al.: Effects of Physical Exercise on Cognitive Functioning and Wellbeing: Biological and Psychological Benefits. Front Psychol 2018; 9: 509 CrossRef MEDLINE PubMed Central
[8].Erickson KI, Voss MW, Prakash RS, et al. Exercise training increases size of hippocampus and improves memory. Proc Natl Acad Sci U S A 2011; 108: 3017–22 CrossRef MEDLINE PubMed Central

 

Katrin Seifert | Recruiting Consultant
Bilder: Adobe Stock & Canva

 

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