Personalauswahl: Theorie vs. Praxis

Wie heißt es doch so schön, probieren geht über studieren? Nun befinde ich mich in der glücklichen Position beides tun zu können. Als Student der Wirtschaftspsychologie kann ich an meiner Universität sämtliche psychologisch angehauchten Module belegen, so auch das zum Thema Personalpsychologie. Dieses Modul besteht aus zwei Schwerpunkten, zum einen der Personalentwicklung, zum anderen der Personalauswahl.

Dazu ist es wichtig zu erwähnen: lediglich studieren bringt einen heute nicht mehr weit, wer daneben Praxiserfahrung mit Bezug zum Studium sammeln kann, ist seinen Kommilitonen auf dem Arbeitsmarkt später ein gutes Stück voraus. Ich selbst sammle diese Erfahrung bei SOLUTE. Im Transfer zwischen Theorie und Praxis drängt sich mir hier immer wieder die Frage auf: ist das, was der Professor in meist feinsäuberlich dargestellten und wohl strukturierten PowerPoint-Charts an die Wand wirft auch wirklich in der Praxis zu gebrauchen? Und was gibt es neben dem Inhalt der Lehrbuchkapitel in der Personalauswahl noch zu beachten?

Ich habe mich dazu mit den SOLUTE-Senior Beratern Florian Winkler und Christina Krey zu hundertfach erprobten Instrumenten der Personalauswahl ausgetauscht, mit deren Hilfe sich die Eignung von Kandidaten prognostizieren lässt. Der Klassiker dieser Instrumente ist die Bewertung des bisherigen beruflichen Werdegangs. Dieser wird nach dem trimodalen Ansatz, der sämtliche Personalauswahlverfahren in drei Kategorien einsortiert, als biografieorientiertes Verfahren klassifiziert. Durch diese Verfahrensarten wird versucht, mittels Informationen aus der Vergangenheit eine Prognose zum späteren Erfolg in der zur Debatte stehenden Position zu machen.

Auch bei SOLUTE ist das ein hervorragendes Filterinstrument um zu prüfen, ob die Kandidaten aufgrund ihrer vergangenen Erlebnisse für die aktuelle Vakanz passen, also ob sie für die anspruchsvollen und oftmals auch sehr verantwortungsvollen Positionen geeignet sind.

Eigenschaftsorientierte Verfahren wie Intelligenztests kommen bei uns nicht zum Einsatz. Zwar ist Intelligenz ein gut korrelierender Faktor, um späteren Berufserfolg vorhersagen zu können, jedoch sind die meisten unserer Kandidaten die Karriereleiter bereits so weit emporgeklettert, dass andere Faktoren deutlich aussagekräftiger sind. Diese Faktoren werden anhand unseres wohl bedeutsamsten Diagnostik-Instruments herausgefunden: dem Kandidateninterview. Dabei handelt es sich um ein teilstrukturiertes Interview, bei dem der Kandidat durch unsere Projektleitung auf Herz und Nieren geprüft wird. Allerdings wird der Rahmen durch eine angenehme Gesprächsatmosphäre bestimmt, in der gegenseitig eruiert wird, ob die jeweiligen Anforderungen sowie Vorstellungen von Kunde und Kandidat miteinander kompatibel sind.

4 Kandidaten warten auf Bewerbungsinterview

Zum Einsatz kommt dabei mal mehr mal weniger schematisch das STAR (Situation-Task-Action-Result)-Modell. Die Projektleitung lässt sich dabei eine vergangene Situation beschreiben, in der eine für die zu besetzende Position wichtige Eigenschaft erforderlich war, um ein Problem zu lösen oder ein Unterfangen zum Erfolg zu führen. Dadurch lässt sich gut validieren, ob die Erfolge in Mitarbeiterführung oder Strategie des Kandidaten auch tatsächlich Bestand haben oder ob es eher leere Worthülsen sind.

Dieses Modell lässt sich auch anwenden um herauszufinden, ob es sich um einen sogenannten Potentialkandidaten handelt, also einen, der sich perspektivisch entwickeln kann. Hier wenden die SOLUTE-Projektleiter das STAR-Modell zukunftsorientiert an, fragen also nicht „Wie haben Sie ein Problem in der Vergangenheit gelöst?“ sondern „Wie würden Sie es theoretisch tun?“. Gelingt es dem Kandidaten in den richtigen Dimensionen zu denken und seine Herangehensweise transparent darzulegen, legt dies solide Führungs- bzw. strategische Qualitäten nahe, die mit der richtigen Entwicklung gefördert werden können. Auch hier finden sich biografisch orientierte Aspekte wieder welche, wenn die Position es zulässt, mithilfe von Assessmentcenter-Bausteinen wie etwa Rollenspielen oder Business-Case-Szenarien simulativ – und um auf die theoretische Ebene zurückzukehren: dem dritten Verfahren des trimodalen Ansatzes – gestützt werden können.

Aber zurück zum Kandidateninterview: hier werden zudem wichtige Kompetenzen auf den Prüfstand gestellt, die als Führungskraft unerlässlich sind. Die beiden Hauptfähigkeiten liegen dabei in der Kommunikation und in der Fähigkeit, auch übergeordnet und strategisch denken zu können. Sowohl verbal als auch nonverbal steht die Führungskraft dauerhaft in Kommunikation mit ihren Mitarbeitern sowie mit ihren Vorgesetzten. Zudem ist es wichtig, Zusammenhänge schnell gedanklich zu ordnen, von Gesagtem das Wichtigste zu abstrahieren und gegebene Situationen schnell erfassen zu können. Die Beurteilung der Kandidaten baut dabei vor allem auf die jahrelange Erfahrung der Projektleitung und deren methodisches Know-how zum Thema Mitarbeiterführung auf. Dieser auch gern als Bauchgefühl von Personalern bzw. Interviewenden bezeichnete Baustein wird mit dem zuletzt vorgestellten Auswahlinstrument bei SOLUTE schließlich wissenschaftlich validiert.

Messdimensionen des BIP Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung

Messdimensionen des BIP-Persönlichkeitstest

In den Seminaren an unserer Universität lernen wir eine Vielzahl von Testverfahren kennen, welche die berufliche Eignung testen sollen. Darunter der bekannte NEO-FFI, außerdem der BMS, TOP oder IEA. Der bei SOLUTE angewandte Test ist der BIP (Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung), da er schwerpunktmäßig Persönlichkeitsmerkmale des beruflichen Kontextes auswertet. In diesem Test werden 6 berufsbezogene Eigenschaften wie zum Beispiel Engagement, Disziplin, aber auch soziale Kompetenzen abgefragt. Mithilfe des BIP lässt sich der durch das Kandidateninterview entstandene Eindruck sehr gut abrunden, da sich die Ergebnisse des BIP in den allermeisten Fällen mit denen der Projektleitung decken.

 

Zusammenfassend kann ich durchaus bestätigen, dass viele Theorien beziehungsweise Lerninhalte meines Moduls Personalpsychologie bei SOLUTE aktiv genutzt werden; wenngleich vieles in angepasster Form und ohne, dass die theoretischen Systeme dahinter immer bewusst wahrgenommen werden. Ich bin daher froh zu sehen, dass sich das Modul Personalpsychologie zu lohnen scheint und ich die Brücke zwischen Theorie und Praxis bei SOLUTE schlagen kann.

Sascha Börgemann, Project & Research Assistant