Was ist die Heilkunst eigentlich wert?


Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist in aller Munde. Parallel dazu wird regelmäßig über weiter steigende Kosten im System diskutiert – häufig mit Blick auf Kliniken, Budgets und Kostenträger. Inmitten dieser Debatten stehen Ärzt*innen und stellen sich eine zentrale Frage: „Werde ich für meine Arbeit angemessen bezahlt?“
Unser Managing Partner Florian Winkler hat sich die Gehaltsentwicklung im ärztlichen Bereich einmal genauer angesehen – und mit der allgemeinen Lohnentwicklung in Deutschland verglichen. Das Ergebnis: Hinter den nüchternen Zahlen steckt mehr Sprengkraft, als man auf den ersten Blick vermuten würde.
Entwicklung im Vergleich: Tarifgehalt Oberarzt*ärztin, deutsches Durchschnittsgehalt
Die folgende Tabelle fasst die Entwicklung der letzten 20 Jahre kompakt zusammen. Grundlage für die ärztlichen Gehälter ist der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern (TV-Ärzte/VKA), jeweils als durchschnittliches Monatsbruttogehalt über alle Stufen hinweg (ohne Dienste, Zulagen oder außertarifliche Bestandteile).




- Von 2005 bis 2024 stieg das Gehalt von Oberärzt*innen um rund 67 %, das allgemeine Durchschnittseinkommen um 66 %.
- Das Einkommensverhältnis blieb über zwei Jahrzehnte stabil bei etwa dem Doppelten des Durchschnittslohns.
Aber, der Tarif ist nicht alles: Außertarifliche Zulagen gewinnen an Bedeutung
Fremdverwaltung kann hilfreich sein, vor allem in Krisen. Aber wer dauerhaft nur noch über Geschäftsbesorgungsverträge arbeitet, gibt nicht nur Führung ab, sondern mittelfristig auch Gestaltungsspielraum. Vielleicht sind Fusionen mit tragfähigen Verbünden langfristig die nachhaltigere Antwort als die bloße Übergabe an Externe.
Die Tarifverträge bilden lediglich die Basis. Aus unserer Beratungspraxis wissen wir:
- In Mangelfächern und solchen mit guten wirtschaftlichen Möglichkeiten für Kliniken sind außertarifliche Vergütungen verbreitet – oft sehr deutlich über den genannten Werten.
- Kliniken in strukturschwachen Regionen setzen verstärkt auf Zulagen, um qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu binden.
Das mündet in Situationen, in denen der/die frisch aus der Prüfung zum Facharzt*ärztin kommende Kandidat/in auf jeden Fall sofort Oberarzt*ärztin sein möchte. Mit dem dafür vorgesehenen Tarifgehalt kann er/sie aber gar nichts anfangen und ruft 150.000 € als Mindest-Festgehalt auf, worauf der/die Geschäftsführer*in nur noch entgegnet: „Immer noch günstiger als ein Honorararzt.“
Einordnung und Ausblick
Die Gehaltsentwicklung im ärztlichen Bereich zeigt keine außergewöhnlichen Sprünge – sie verläuft weitgehend parallel zur allgemeinen Lohnentwicklung. Gleichzeitig steigen Arbeitsverdichtung, gesellschaftlicher Erwartungsdruck und der Wettbewerb um medizinische Fachkräfte kontinuierlich. Das wirft entscheidende Fragen auf:
- Ist diese Entwicklung angemessen im Verhältnis zu Verantwortung und Belastung?
- Wie stark müssen Kliniken künftig Zulagen und individuelle Angebote einsetzen, um im Wettbewerb zu bestehen?
- Und welche Rolle spielt das Gehalt im Vergleich zu Arbeitsbedingungen, Führungskultur und Standortattraktivität?
Fazit
Das Gehalt allein ist kein Allheilmittel gegen den Fachkräftemangel – aber ein zentraler Faktor in der ärztlichen Berufs- und Standortentscheidung. Kliniken, die Gehaltsstrukturen transparent kommunizieren, Spielräume strategisch nutzen und rechtzeitig planen, sichern sich im Wettbewerb um medizinisches Spitzenpersonal einen klaren Vorteil.
Vor allem aber stellt sich die Frage, ob manche Gehälter überhaupt refinanzierbar sind. Kliniken machen ihre Preise nicht selbst und ob eine entsprechende Produktivitätssteigerung vor dem Hintergrund sich nur schleppend optimierender Klinikprozesse, noch immer recht schwach ausgeprägtem Digitalisierungsniveau und stetig steigender Dokumentations- und Administrationsaufwände eingetreten ist, sollte stark bezweifelt werden. Jede Gehaltsforderung nur abzunicken, wird am Ende erst recht zum wirtschaftlichen Knock-out für Kliniken führen. Es sei denn, sie setzen die teure ärztliche Arbeitskraft auch für das ein, wofür sie ausgebildet angetreten ist und schaffen ein Umfeld, in dem Entfaltung und wertschöpfendes Arbeiten möglich ist!