Arzt mit Anzug und Stethoskop

Krankenhäuser im Spannungsfeld zwischen medizinischen und ökonomischen Zielen – fortwährendes Dilemma oder Corona als Call for Action an die Politik?

Die strategische Positionierung von Krankenhäusern im Spannungsfeld zwischen medizinischen und ökonomischen Zielen beschäftigt uns übergeordnet stets in unserer alltäglichen Arbeit, ob im Kontakt mit Kandidaten oder Kunden. In Anbetracht der Covid-19-Pandemie ist dieses Thema jedoch noch einmal deutlich in den Vordergrund unserer aller Aufmerksamkeit gerückt.

Bedingt durch die Anreize des DRG-Systems ist die strategische Ausrichtung des Krankenhausmanagements auf die Erzielung von Überschüssen mittels jährlicher Fallzahlsteigerung ausgerichtet. Aktuell zeigt sich jedoch verstärkt, dass diese wirtschaftliche Steuerung, welche die Steigerung der Leistungen in Verbindung mit kontinuierlicher Verbesserung der Effizienz der Gesundheitsversorgung fokussiert, nicht die Tragfähigkeit für alle Strukturen der Gesundheitsversorgung besitzt. Sie mündet vielmehr vermehrt in Aufkäufen bzw. in Insolvenzen. In einem so komplexen und dynamischen System wie dem Gesundheitswesen, das zudem fundamentaler Bestandteil der Daseinsvorsorge ist, sollten daher grundsätzlich nicht die Maßstäbe der freien, wettbewerbsorientierten Wirtschaft angewendet werden.

Integraler Bestandteil ist hierbei auch die bedarfsgerechte Ausstattung mit qualifiziertem medizinischem und pflegerischem Personal auf allen Ebenen sowie eine strukturierte, flächendeckende Gesundheitsversorgung gemäß der Versorgungsstufen. Zudem fehlt es an umfassender Digitalisierung und strukturierter sektorenübergreifenden Vernetzung aller Krankenhäuser sowie ambulanter Versorger. Denn höchstes Gut ist es stets, die Bevölkerung bedarfsgerecht und qualitätsgesichert zu versorgen.

Die Finanzierungssystematik von Leistungen sollte daher keine Anreize für eine Über- bzw. Fehlversorgung liefern. Dies tut sie aber in der Realität, wie eine Befragung von Reifferscheid et al. (2015) zeigt. Darin wurden rund 5.000 Chefärzte, Geschäftsführer und Pflegedirektoren zu Rationierung und Überversorgung im Krankenhausbereich befragt. „[…] Von den antwortenden Chefärzten gaben 46 Prozent an, aus ökonomischen Gründen schon mal nützliche Maßnahmen vorenthalten oder durch weniger effektive, aber kostengünstigere Alternativen ersetzt zu haben. […] Des Weiteren gaben die befragten Ärzte an, dass in ihrem Fachgebiet wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu überhöhten Fallzahlen führen. Das gilt insbesondere für die Kardiologie und die Orthopädie. Chefärzte aus diesen Bereichen nehmen mit 60,7 bzw. 48 Prozent die Problematik insgesamt signifikant stärker wahr.“

Deutlich wird somit, dass die bestehende Finanzierungslogik des Gesundheitssystems weiterentwickelt werden muss, um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen begegnen zu können. Dabei sollte die Diskussion mit Blick auf ein patientenorientiertes, qualitätsgesichertes und nicht primär gewinnorientiertes System gelegt werden, in dem alle Mitarbeitenden wertgeschätzt, Innovationen und digitale Lösungen integriert werden und welches insgesamt durch eine enge Vernetzung mit der Grundlagen- und translationalen Forschung gekennzeichnet ist (Vgl. 4. Ad-hoc-Stellungnahme, Der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina). Dies bedeutet jedoch auch, dass die Investitionsverpflichtungen der öffentlichen Hand gesetzlich neu ausgerichtet werden müssen und nicht nur, wie in Paragraf 8 Absatz 1 KHG, eine teilweise Förderung mit Restfinanzierung durch den Krankenhausträger explizit vorgesehen ist. Dies gilt es in der Politik und in der Gesellschaft zu entscheiden.

 

Franziska Bohnhardt, Senior Research Consultant & Leitung Research

 

Quelle: Reifferscheid, Antonius, Natalie Pomorin und Jürgen Wasem, 2015, Ausmaß von Rationierung und Überversorgung in der stationären Versorgung, Deutsche medizinische Wochenschrift 2015, 140(13): e129-e135.

 

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