Silvester Feier 2010

Was bleibt beim Rückblick auf 2019? Digitalisierung, Untergrenzen, Insolvenzen!

2019 – wieder sind 12 Monate, 52 Wochen, 365 Tage ins Land gegangen und was bleibt zurück, wenn wir das Jahr noch einmal an uns vorbeiziehen lassen? Zum einen hat uns Jens Spahn als Bundesgesundheitsminister viele Neuerungen mitgegeben, die sowohl Kliniken als auch Krankenkassen und die ihnen zwischengeschalteten Institutionen, wie etwa den MDK, vor Herausforderungen stellen und das Gleichgewicht zwischen den Akteuren neu austarieren. Auch ein Spahn-Thema sind diverse Initiativen in Richtung Digitalisierung und Pflegeausstattung. Und auch hier standen Klinikmanager oft mit einem großen Fragezeichen vor uns: Wie wird die Ausgestaltung konkret aussehen und was bedeutet das für mein Haus? Teils mit Amüsement haben wir betrachtet, welche Kliniken nun ganz modern in schönstem Anglizismus nach einem CDO, einem Chief Digital Officer auf C-Level, suchen und am Ende dann aber doch nur den EDV-Verwalter ohne eigenes Budget für Innovationen erwarten. C-Level bedeutet die oberste Ebene und dementsprechend auch die Kompetenz, Zukunftsthemen zu definieren, umzusetzen und voranzutreiben. Im Krankenhaus hängt der CDO dann aber in der Regel doch in den Niederungen des Organigramms fest; irgendwo unter dem Kaufmännischen Leiter und auf Augenhöhe mit dem Leiter Haustechnik.

Florian Winkler und Christina Krey Sichtung KandidatenunterlagenDie Frage nach der Bedeutung für das eigene Haus haben sich viele Profis und Laien sicher auch in Bezug auf die Bertelsmann-Studie gestellt: Wie viele Krankenhäuser brauchen wir wirklich und welche sind es, die am Netz bleiben sollen? Als langjährige Berater in der Gesundheitsbranche war gerade die Insolvenzwelle im letzten Quartal 2019 für uns ein Novum und rüttelt an Grundfesten der Branche: Stabilität und Sicherheit! Bei jeder neuen Insolvenz trudelten auch bei uns Hinweise von Kunden ein, dass wir doch das in die Insolvenz gehende Nachbarhaus einmal besonders für die eigene Personalakquise in den Fokus nehmen sollen. Gesagt, getan: Aber selbst in solch schwierigen Phasen schlägt uns oft eine stoische Ruhe und enorme Loyalität zum aktuellen Arbeitgeber entgegen. „Wir stehen das hier gemeinsam durch“ oder auch „Erstmal abwarten, was konkret geschieht und wer künftig als Träger auftritt“ scheinen übliche Reaktionen unter Ärzten und Pflegeführungskräften, aber auch unter Entscheidern in der Verwaltung zu sein. Je patientenferner die Position, desto unsicherer wird der Arbeitsplatz dann zwar wahrgenommen, aber direkt fahnenflüchtig zu werden, scheint nur selten eine Option zu sein.

Was sagt uns das über die Menschen hinter den Rollen in der Gesundheitswirtschaft? Sind sie loyaler, idealistischer oder einfach weniger flexibel als Menschen, die in anderen Branchen arbeiten? Oder sind die Veränderungen im System so groß und einschneidend, dass im Gesundheitswesen aufgewachsene Akteure nur noch mit Schockstarre reagieren können? Wie dem auch sei: VUCA – volatility, uncertainty, complexity und ambiguity, zu Deutsch Volatilität, Unbeständigkeit, Komplexität und Mehrdeutigkeit – scheint 2019 und vermutlich auch 2020 mehr denn je ein extrem passender Begriff zu sein, der die Gesundheitsbranche nur zu gut beschreibt. Interessanterweise stammt er aus dem amerikanischen Militär und beschreibt die Grundannahmen, auf denen nach dem Ende des Kalten Krieges (und damit nach dem Ende einer Welt mit EINEM klar definierten Feind) Kriegsführungsstrategien aufgebaut werden. Und ein bisschen wie Guerilla-Strategien wirken viele Aktionen von Akteuren im Gesundheitsmarkt – seien es die Klagewellen der Krankenkassen mit veränderten Verjährungsfristen oder aggressive Personalmarketing-Aktionen von Kliniken direkt vor den Toren der Konkurrenten.

Nichtsdestotrotz: Die VUCA-Umwelt scheint gerade im Gesundheitswesen 2019 weniger Buzzword als sehr deutlich erlebte Wirklichkeit von den Akteuren und den Menschen dahinter. Und gerade in einer solchen Umwelt sind Führungskräfte gefragt, die den ständigen Wandel, die damit verbundene Unsicherheit und Ambiguität proaktiv zu gestalten und zu managen wissen. Die Soziologie bzw. neuere Systemtheorie geht dabei noch einen Schritt weiter: Führung in einer VUCA-Welt heißt für sie letztlich proaktives Paradoxien-Management, also die Anerkennung und Explizitmachung der Perspektivenvielfalt zum einen, und die gesteuerte Gratwanderung zwischen Phasen von Veränderung, Neuerung und Wandel sowie Erhalt, Stabilität und Sicherheit zum anderen.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen ein möglichst eindeutiges, geradliniges und beständiges Umfeld in der stillen Zeit und an den Feiertagen im Kreise von Familie und Freunden. 2020 wird aufregend genug und wir freuen uns, mit Ihnen durch die anstehenden 12 Monate und, dank des Schaltjahres, 53 Wochen bzw. 366 Tage zu gehen!

Florian Winkler, Geschäftsführer und Senior Projektleiter & Christina Krey, Senior Projektleiterin

 

Beitragsbild: Timo Klostermeier_pixelio.de